Stehende Ovationen – derartige Anerkennung für politische Reden ist selten. Anders beim 19. Neujahrsempfang der Freien Demokraten in Hilden am Wochenende. Die hatten nämlich Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu Gast im voll besetzten Kunstraum des Gewerbeparks Süd. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages hat nicht nur als FDP- Spitzenkandidatin für das Europäischen Parlament in diesen Tagen viel zu sagen: „Europa – eine Gemeinschaft mit Chancen“ hieß ihr Vortrag, den sie eine Stunde und ohne Manuskript hielt.
Tatsächlich tritt die zierliche Frau direkt und nahbar auf, spricht ihr Publikum an, zeigt Humor und spart dabei nicht an deutlichen Worten. „Die Lage war noch nie so dramatisch wie jetzt“, stellt sie zur aktuellen innenpolitischen Lage ebenso wie für die äußere Sicherheit fest. Dass Menschen für die Demokratie auf die Straßen gingen sei wichtig, aber es sei auch zu erkennen, dass „Nationalsozialisten“ (so nennt sie die Mitglieder der AfD) und auch „ganz normale Bürger“ von Remigration sprächen und Deportation meinten.

Die Politikerin, die für ihre Partei jahrelang als Bürgermeisterin und Ratsfrau in Düsseldorf tätig war, findet es „grauenvoll“, dass der Initiator des skandalösen Treffens von Rechtsradikalen in Potsdam ein Düsseldorfer Zahnarzt war. Demokraten müssten sich gegen alles Radikale engagieren, gleichgültig ob von rechts oder links.
Bei den außenpolitischen Ausführungen zu den derzeitigen Krisenherden konnten die Zuhörer heraushören, wie ernst die Verteidigungsexpertin die weltweite Sicherheitslage insbesondere auch für Europa einschätzt. „Wir haben schon 2014 auf den Angriff der Ukraine falsch reagiert. Mit dem heutigen Krieg ist die Freiheit weltweit bedroht.“ Strack-Zimmermann spricht von Tausenden Toten, Verschleppten, gefolterten und geschändeten Erwachsenen und Kindern. Europa habe nach den verheerenden zwei Weltkriegen gelernt. Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die ihre Länder versöhnten, seien für sie „Helden des Jahrhunderts“.

Europa sei dafür da, es den Menschen leichter zu machen, plädierte die Politikerin, die für das EU-Parlament kandidiert. Gleichwohl kritisiert sie „schwachsinnige“ Gesetze wie das neue Lieferketten-Gesetz oder eine Anordnung für höhere Rheinbrücken-Geländer. „So etwas macht die Idee“ kaputt. Der Druck auf das mit 450 Millionen Einwohnern vergleichsweise kleine Europa wachse. Die Angriffe im Roten Meer auf internationale Schiffe durch die Huthi, der „unvorstellbar barbarische Angriff auf Israel“ und antisemitische Stimmung im eigenen Land, aber auch der Ausgang der Wahlen in den USA bereiten der 65-Jährigen Sorgen: „Deren Schutzschirm ist auch unter Biden nicht mehr selbstverständlich.“ Es brauche Nachhaltigkeit auch bei Sicherheitsfragen. Europa müsse kriegstüchtig sein, damit nie wieder Krieg entstünde. Schon längst würde Russland die Nato durch „kleine Nadelstiche“ wie Flugraumverletzungen provozieren. Und: „Glauben Sie nicht alles, was im Internet steht.“ Viele Konflikte ploppten auf, weil Menschen im Netz zunehmend radikalisiert würden. Mit den Worten: „Bleiben sie wehrhaft und lassen Sie uns zusammenarbeiten“, verabschiedete sich die von ihrer Partei Eurofighterin genannte Politikerin.

Text: Ulrike Schmidt – Rheinische Post

Bild: Stephan Köhlen – Rheinische Post

Mit freundlicher Genehmigung

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